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„Corona hat uns beschleunigt“
Wie aus einem Zukunftsthema ganz schnell Gegenwart wurde
Einmal pro Woche bietet Marcus Köchling seinen Schülern eine Video-Sprechstunde an, um Fragen zu besprechen, die sich so leichter beantworten lassen als per E-Mail oder im Schul-Chat. Außerdem tut es ja auch mal ganz gut, sich zu sehen. Er leitet die Walburgisrealschule und ist ziemlich begeistert davon, was Lehrer, Schüler und Eltern gemeinsam aufgebaut haben.
Digitalisierung, Unterricht via Internet, Schul-Cloud – das waren vor ein paar Monaten noch Dinge, von denen man dachte, die Sommerferien wären eine gute Zeit, sich das mal durch die Köpfe gehen zu lassen. Vielleicht auch noch die Herbstferien. Und überhaupt musste ja erstmal die Technik laufen.
Und dann wurden die Schulen in Bayern geschlossen. Es war der 13. März.
Walburgisgymnasium und Walburgisrealschule hatten schon vorher begonnen,
E-Mail-Adressen ihrer Schüler zu sammeln, um die ganze schöne neue Welt irgendwann mal ans Laufen zu kriegen. Vertraglich war mit der Firma Microsoft schon alles geregelt. Mit Office 365 sollte jeder Lehrer und jeder Schüler die erforderliche Software kostenlos nutzen können.
„Als Bayern anfing, die Schulen zu schließen, habe ich eine E-Mail an die Schulleitung geschrieben und gesagt, dass es höchste Zeit ist“, sagt Klaus Raetz, der auch an der Walburgisrealschule unterrichtet.
Zusammen mit seiner Kollegin Petra Richter arbeitete er sich dann über das Wochenende in „Microsoft Teams“ ein, um die Plattform für die Walburgisschulen einzurichten. Und weil die beiden auch nachts weiterarbeiteten, lief das System am darauffolgenden Montag. Jetzt mussten die Schüler in das System gebracht werden.
Skepsis wich Begeisterung
Die beiden versuchten es mit Fortbildungen für ihre Kolleginnen und Kollegen. „Lief nicht“, erinnert sich Raetz. Richter und Raetz legten dann selbst für alle Schülerinnen und Schüler Accounts an. Wo es allzu sehr klemmte, halfen sie per Skype und TeamViewer, einer Fernwartungssoftware, das System auf privaten PCs und Tablets zu installieren. Auch Kollegen kamen in den Genuss dieser Einzelbetreuung.
Als am 16. März auch die Schulen in Nordrhein-Westfalen schließen mussten, schickten die Lehrer Aufgaben erstmal per E-Mail. Die Lösungen kamen dann nicht nur per E-Mail oder per Post zurück. Bei Marcus Köchling wurden sie teilweise auch persönlich abgegeben.
„Anfangs war die Skepsis groß“, erinnert sich Raetz. „Die Eltern fühlten sich überrannt und überfordert“, sagt Raetz. „Es schien sich auch Widerstand zu formen, der setzte sich aber nicht durch.“ Die anfängliche Skepsis wich einer wachsenden Begeisterung.
Weil das System die Zusammenarbeit aller Mitglieder ermöglicht, halfen sich Schüler auch untereinander, sich darin zurecht zu finden. Aufgaben, die immer noch per E-Mail kamen, stellten einige Eltern dann in das Teams-System, weil sie es gut fanden. „Jetzt“, sagt Klaus Raetz, „haben wir ein nachhaltiges System.“
Videosprechstunden bietet nicht nur Schulleiter Köchling an. Manche Kollegen, sagt er, machen auch Videokonferenzen für ganze Kurse. Und einige haben auch eigene Lehrvideos erstellt und in das System geladen.
Im vergangenen Winter war Köchling mit Raetz und Richter in London auf einer Fachmesse für die didaktische Umsetzung der Digitalisierung an Schulen. Dass dieser Schritt so schnell gehen würde, hatte niemand geahnt. „Corona hat uns beschleunigt“, sagt Köchling. Und wenn er sich in der Stadt so umhöre, seien die Walburgisschulen schon Vorreiter. „Vielleicht ziehen wir auch Gewinn daraus.“
Bereicherung des Unterrichts
Dass E-Learning den normalen Unterricht in der Schule irgendwann ersetzen könne, glaubt Klaus Raetz nicht. „Jetzt ist es ein Notbehelf, zukünftig wird es eine Ergänzung sein.“
„Bei all dem Schlimmen und dem Chaos, das zurzeit herrscht, schaffen wir im digitalen Bereich etwas Großartiges für die Schule“, meint Petra Richter, die auch weiterhin Schulungen für Kollegen macht – online und analog.
Von der Kreativität ihrer Kollegen war sie „unglaublich positiv überrascht“. Sie sei stolz, dass dieser Prozess eine so große Eigendynamik entwickelt habe.
„Das ist keine Krücke, um uns über Wasser zu halten“, sagt sie, „sondern ein dauerhafter Mehrwert.“ Das digitale Lernen wird nach ihrer Ansicht auch nach Corona ein wesentlicher Bestandteil des Unterrichts sein, weil vor allem die bessere Möglichkeit der Zusammenarbeit für die Schüler ein großes Plus bedeute.
Sie sieht allerdings auch, dass ihren Schülern zunehmend die soziale Nähe fehlt. In der vergangenen Woche hat sie eine Audiokonferenz mit 28 Schülern gemacht. „Für die Schüler der achten Klasse war es schön, sich wieder einmal zu hören und zu sprechen.“ In dieser Woche macht sie vielleicht mal eine Videokonferenz. Persönliche Telefonate zwischen Lehrern und Schüler gehören dazu. Es sei wichtig, auch den persönlichen Kontakt zu halten und über Arbeitsmöglichkeiten zuhause ins Gespräch zu kommen, um helfen zu können.
E-Learning an den SMMP-Schulen
Teams und Office 365 (oder Microsoft 365, wie es seit kurzem heißt) werden schon seit einigen Monaten an allen SMMP-Schulen vorbereitet. Damit alles datenschutzkonform ablaufen kann, müssen Schüler beziehungsweise deren Eltern aber erst Nutzungsverträgen zustimmen. Die kommen bei allen Schulen zurzeit unterschrieben an.
Um die Software nutzen zu können, reicht ein Smartphone oder ein Tablet.
Zum Plan gehört auch, dass alle Schülerinnen und Schüler eine eigene E-Mail-Adresse ihrer Schule bekommen. Die Lehrer haben sie schon. Mit der Einrichtung dieser tausenden E-Mail-Accounts ist eine Firma beauftragt, die dafür naturgemäß auch ein bisschen Zeit braucht.
Die SMMP-Schulen werden das ganze Paket spätestens zum Beginn des neuen Schuljahres fertiggestellt haben.
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