Eine Schule der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel

Politik machen, Freunde finden

Debattieren, überzeugen, Kompromisse finden: Ausschussmitglieder beim Teambuilding. (Foto: SMMP/Beer)
Debattieren, überzeugen, Kompromisse finden: Ausschussmitglieder beim Teambuilding.

Gestern Abend war es laut. Bis halb eins in der Nacht drang Partymusik aus dem Walburgisgymnasium. Nur gut, dass die Schule tolerante Nachbarn hat, die sich freuen, auch in den Ferien hier junge Menschen zu sehen. Ausschweifende nächtliche Partys wird es in dieser Woche aber wohl nicht mehr geben, denn die 115 Teilnehmer des Internationalen Sommer Forums des Europäischen Jugendparlaments (EYP) haben ein strammes Programm. Von morgens acht bis elf Uhr abends geht es um europäische Politik und neue Freundschaften.

Aus 20 Ländern kommen die 73 Delegierten des Jugendparlaments, 42 weitere Teilnehmer sind als Ausschussleiter, Organisatoren und Journalisten dabei. Sie alle schlafen auf Feldbetten in den Klassenräumen im dritten Stock. Manche ein bisschen weniger.

Chefredakteurin für eine Woche: Andreia Moraru im Presseraum des Sommerforums. (Foto: SMMP/Beer)
Chefredakteurin für eine Woche: Andreia Moraru im Presseraum des Sommerforums.

Andreia Moraru zum Beispiel. Die 20-Jährige studiert Jura und hat gerade ihr erstes Jahr an der Universität in Rumänien hinter sich gebracht, nun ist sie Chefredakteurin der forumseigenen Zeitung. Vier Ausgaben will sie mit ihrem Team in dieser Woche produzieren. Die Journalisten stehen untereinander im Wettbewerb. Wer drin sein will, muss mit seinem eigenen Beitrag überzeugen. Die erste Ausgabe enthält eine Reportage über die beängstigende Langeweile auf dem Bahnhof in Fröndenberg, einen Beitrag über das Eichhörnchen von Ronald Reagen, ein Interview mit Julius Caesar über den Stand der europäischen Integration, Artikel über Politik, Geschichte und ganz persönliche Erfahrungen. „Wenn sich alle an die Deadline halten, ist das möglich“, sagt die Chefredakteurin und beteuert, dass sie schon noch ein bisschen Schlaf bekommt.

In Europa einen Schlafplatz finden? Für Theresia und Filippa kein Problem. (Foto: SMMP/Beer)
In Europa einen Schlafplatz finden? Für Theresia und Filippa kein Problem.

Rumänien ist mit sechs bis sieben nationalen Veranstaltungen pro Jahr eines der aktivsten Länder beim EYP, dessen Delegierte in Auswahlverfahren von den über 30 nationalen Komitees entsandt werden. Andreia war vor zwei Jahren das erste Mal dabei und hat mittlerweile zwölf Sitzungen mitgemacht – und viele neue Kontakte geknüpft. Irgendwo in Europa bei Freunden übernachten? Kein Problem für sie. „In den vergangenen 18 Monaten war ich in Bulgarien, Griechenland, Frankreich, Lettland, Deutschland und Kroatien.“

Alles in Englisch: Für Vanessa Janas selbstverständlich. (Foto: SMMP/Beer)
Alles in Englisch: Für Vanessa Janas selbstverständlich.

Mit den neuen Freunden in Verbindung zu bleiben und unterwegs einen Schlafplatz zu finden, ist kein Problem. „Facebook ist sehr praktisch“, sind sich Filippa Bengtson und Theresia Erikson einig. Die beiden kommen aus Schweden und stehen kurz vor dem Abitur. „Beim EYP mitzumachen ist gut für die eigene Zukunft“, sagt Theresia, die noch nicht weiß, was sie nach der Schule machen will. „Man lernt, in Teams zu arbeiten und Kompromisse zu finden.“ Außerdem lerne man eine Menge über Politik. In Schweden sei den meisten Menschen gar nicht bewusst, wie sehr die nationale Politik durch Europa bestimmt werde.

Menschliche Knoten lösen, ohne miteinander zu sprechen: europäische Integration beim Teambuilding. (Foto: SMMP/Beer)
Menschliche Knoten lösen, ohne miteinander zu sprechen: europäische Integration beim Teambuilding.

„Anfangs waren wir überrascht, dass es kaum Unterschiede zwischen den Gleichaltrigen aus den verschiedenen Teilnehmerländern gibt“, sagen die beiden. Sie haben gelernt, dass Franzosen mit einer ausgestreckten Hand zur Begrüßung nichts anfangen können und gleich zum Küssen übergehen, aber größere Unterschiede? Eigentlich nicht. Und sie haben sogar Freundschaft mit einem Teilnehmer geschlossen, der nicht Englisch sprach.

Das war aber wohl eine Ausnahme, denn Englisch ist die Arbeitssprache beim EYP. Das sprechen alle gut genug, um in Ausschüssen zu Themen wie ländliche Entwicklung, Arbeit und Soziales, Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, internationalen Handel, Industrie- und Fiskalpolitik oder Bürgerrechte und Innenpolitik mitzuarbeiten. Am Ende, nach rund zwanzig Stunden Beratung, verabschieden sie Resolutionen. Damit die europäische Politik zu beeinflussen, ist aber nicht Sinn der Sache.

Nachtlager auf Feldbetten: Berührungsängste sollten die Teilnehmer nicht haben. (Foto: SMMP/Beer)
Nachtlager auf Feldbetten: Berührungsängste sollten die Teilnehmer nicht haben.

„Es geht hier hauptsächlich um europäische Jugendarbeit, um politische Bildung und europäische Integration“, sagt Vanessa Janas. Die Studentin kommt aus Aschaffenburg und ist diesmal zuständig für die Organisation der Unternehmensbesuche, die ebenfalls zum Programm gehören. Zu so genannten RegioTalks besuchen die jungen Europäer Firmen der Region und informieren sich vor Ort über ausgewählte Themen.

Vor der Ausschussarbeit steht aber das Kennenlernen und Zusammenfinden. Beim Teambuilding nähern sich die Teilnehmer spielerisch an, lernen aufeinander einzugehen, zu debattieren, zu überzeugen, Kompromisse zu suchen, menschliche Knoten zu lösen. Und nachts teilen sich die Teilnehmer jedes Ausschusses einen Schlafsaal.

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[MeTV] International Summer Forum EYP – First Trailer from Peter Wolfram on Vimeo.