Eine Schule der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel

Missionarin auf Zeit: Hannah berichtet aus Bolivien

Bolivien
Foto: privat

Guten Morgen aus Bolivien (und guten Nachmittag in Deutschland),

ich bin jetzt seit etwas mehr als 12 Wochen hier in Bolivien und es gefällt mir super gut, auch wenn die Arbeit sehr anstrengend ist.
Ich habe gerade etwas Zeit, deswegen wollte ich mich einmal kurz melden.
Im Anhang habe ich meinen Quartalsbericht beigefügt, in diesem ist meine Arbeit, mein Tag und ein paar weitere Erlebnisse recht detailliert beschrieben.
Ich bin gespannt, was ich in den nächsten 9 Monaten noch erleben darf. Aber ich bin mir sicher, dass ich noch viele Erfahrungen und Erinnerungen sammeln werde.

Quartalsbericht Nr. 1

Name des/der MaZ Hannah Politowski
Einsatzstelle Kinderdorf Cuatro Esquinas / Cochabamba / Bolivien
Zeitraum des Einsatzes 2019 – 2020
Aktuelles Datum 26.10.2019
Entsendeorganisation Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel (SMMP)

Am 11.08.2019 startete ich mit Frieda (meiner Mitfreiwilligen) in unser Abenteuer nach Bolivien. Wir landeten am 12.08.2019 nach einer langen Reise früh morgens in Cochabamba. Am Flughafen wurden wir von zwei Schwestern abgeholt und sind in unsere Einrichtung gefahren.
Wir arbeiten zu zweit in einem Mädchenheim, in dem etwas über 80 Mädchen im Alter von 5 bis 18 Jahren leben. Die meisten Mädchen kommen aus zerrütteten Elternhäusern oder sind (Halb-)Waisen.

Bolivien
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Bolivien
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Die Häuser und Straßen sind ungefähr so, wie ich es mir vorgestellt hatte: so gut wie kein Haus ist fertig gebaut; der Putz bröckelt, falls das Haus überhaupt verputzt ist; Kühe und Schafe laufen auf der Straße frei herum; es gibt viele Straßenhunde; wenn man mit dem Auto unterwegs ist, hupt man, wenn man Vorfahrt haben möchte; Müll und viele kleine Stände und Läden am Straßenrand,… Diese Lebensweise war am Anfang sehr ungewohnt, mittlerweile sind wir aber den Anblick solcher Häuser schon etwas gewohnt. Trotzdem kann ich mir nur schwer vorstellen, wie es sein muss, in unfertigen Häusern oder Hütten zu wohnen.

Bolivien
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Zum Glück hatten wir keine Probleme mit unserem Visum, welches wir nach vielen Stunden in verschiedenen Behörden und Ämtern abholen konnten.
Unter der Woche arbeiten wir mehrere Stunden auf dem Feld: wir schneiden mit einer Sichel Alfa, was sehr anstrengend, eintönig und in der Sonne sehr heiß ist. Das tragen wir dann in Säcken in den Stall und füttern unsere ca. 250-300 Meerschweinchen und 20 Kaninchen. An manchen Tagen sind wir guter Dinge, wobei auch einige Tage dabei sind, an denen wir unmotiviert auf dem Feld stehen, da es mittlerweile tagsüber auch ziemlich heiß wird. Während einer von uns ab 11 Uhr am Tor die nötige Arbeit verrichtet und unter anderem alle Mädchen in einer Liste abhakt, die aus der Schule kommen, schneidet der andere weiter allein auf dem Feld. Danach essen wir in separaten Häusern mit den Mädchen zu Mittag. Es gibt 7 Häuser, wo alle Mädchen untergebracht sind und dort mit einer Tia (Hausmutter) zusammenwohnen. Die Gespräche beim Essen sind teilweise sehr amüsant, ich komme sehr gut mit allen klar und verstehe nach und nach mehr.

Nach dem Essen helfen wir bis 19 Uhr bei der Hausaufgabenbetreuung der ca. 5-10-jährigen. Unsere Aufgaben sind immer sehr unterschiedlich und umschließen Fächer wie Mathe, Spanisch, Religion oder hauswirtschaftliche Arbeiten, wie zum Beispiel Stecken. Manchmal ist es schwierig mit den Kleinen, weil sie sehr gerne ihre Grenzen austesten, provozieren, keinen wirklichen Respekt haben und auch oft müde sind und einschlafen. Trotzdem macht mir die Arbeit mit den Kindern viel Spaß, sie ist sehr abwechslungsreich und wird nie langweilig.

Bolivien
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In unserer Freizeit haben wir schon drei Projekte für die Kinder fertiggestellt: unter anderem einen Schrank aus mehreren Kartons, in dem sie ihre Hefte und Bücher lagern können und Plakate, auf denen Worte wie „Danke“, „Entschuldigung“, „Guten Tag“ usw. stehen.
Mir ist schon des Öfteren aufgefallen, dass die Kinder in der Schule ganz anders lernen, als Kinder in Deutschland. Hier lernen die Kinder sehr viel auswendig, können damit aber nicht unbedingt etwas anfangen. Besonders Mathe bereitet vielen Mädchen Probleme: Sie können oft nur mit Hilfe ihrer Finger Aufgaben lösen und rechnen nicht viel im Kopf.
Am Wochenende verbringen wir oft Zeit mit den Mädchen: wir spielen Spiele, Basketball oder Fußball, bringen ihnen verschiedene Tänze bei, helfen ihnen beim Stecken, unterhalten uns,… Einmal haben wir auch schon zusammen Pizza gebacken, was sehr gut angekommen ist. Ich verstehe mich sehr gut mit den Mädchen, lerne sie immer besser kennen, wir haben immer viel Spaß zusammen und lachen viel, da besonders die Kleinen immer sehr lebensfroh und aktiv sind. Obwohl wir noch nicht so lange hier sind, denke ich jetzt schon, dass mir der Abschied von den Mädchen sehr schwerfallen wird. Wir können jedoch nicht immer mit allen Mädchen am Wochenende etwas machen, da sie auch oft arbeiten müssen, was ich sehr schade finde. Generell haben die Mädchen sehr wenig Freizeit, auch an schulfreien Tagen, da sie entweder Hausaufgaben machen oder arbeiten müssen.

Jeden Sonntag gehen wir früh morgens mit allen Mädchen in die Kirche. Beim Gottesdienst gibt es immer ein Programm, sodass Gebete, Lesungen, Evangelium und weiteres mitgelesen werden können, was ich sehr praktisch und spannend finde. Die Fürbitten werden von der Gemeinde vorgelesen; jeder der möchte, darf lesen. Nach den vorgegebenen Fürbitten ist immer etwas Zeit, damit jeder im Stillen eigene Bitten formulieren kann. Das Abendmahl ist auch etwas anders, als ich es aus Deutschland kenne: der Pastor legt die Oblate direkt in den geöffneten Mund. Am Ende des Gottesdienstes bekommt jeder mit einer Rose ein wenig Weihwasser auf den Kopf, was ich eine sehr schöne Geste finde.
Letztens haben wir mit einigen Angestellten und Schwestern aus dem Heim im Kloster der Padres in unserer Nachbarschaft an einem Bibelseminar teilgenommen. Wir haben über unsere Vorstellung von Gott, Jesus und dem Heiligen Geist, deren Platz in unserem Leben und Erfahrungen mit Jesus gesprochen. Ich fand es sehr interessant dem Pastor und den anderen zuzuhören und hätte gerne noch mehr verstanden.
Ich merke mittlerweile jedoch schon deutliche Verbesserungen, was die Sprache betrifft. Besonders bei der Hausaufgabenbetreuung habe ich selten Probleme. Jedoch fehlen im Alltag des Öfteren noch einige Wörter.
Am 20. Oktober waren hier in Bolivien die Wahlen für den neuen Präsidenten. Seitdem die Ergebnisse bekannt sind, ist das Land im Ausnahmezustand. Es gibt hier in Cochabamba und auch in anderen Städten Straßenschlachten, Auseinandersetzungen mit der Polizei, gewaltsame Proteste, Straßensperrungen, Streiks und Blockaden. Daher fahren selten Verkehrsmittel und es ist gefährlich in die Stadt zu gehen. Wir sind im Moment sehr vorsichtig, fahren nicht in die Stadt und hoffen, dass sich die Situation bald wieder beruhigt.

Nach den Wahlen haben wir an einigen Tagen mitbekommen, dass abends ein Gebet sein sollte. Daraufhin haben wir entschieden, dass wir mitgehen möchten und sind mit einigen Kindern und Schwestern zunächst in die Kirche und von dort aus in einer Art Umzug zu einer Straßenkreuzung gelaufen, wo am zweiten Tag sogar eine Blockade auf der Straße aufgeschüttet worden war. Dort haben wir uns an den Straßenrand gestellt. Es wurde erklärt, dass wir für Frieden in Bolivien beten und haben dann den Rosenkranz mit einem Friedensgebet gebetet. Für mich war es zunächst etwas komisch, weil ich noch nie zuvor den Rosenkranz gebetet hatte, aber nach und nach konnte ich immer mehr mitsprechen.

Bolivien
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Insgesamt haben wir uns mittlerweile gut eingelebt. Wir haben eine Tagesroutine entwickelt, durch die der Alltag einfacher ist. Die Arbeit mit den Kindern macht mir sehr viel Spaß und ich freue mich immer, wenn eins der Mädchen strahlend auf mich zu rennt und mich umarmt. Die Freude und das Lachen der Kinder ist einfach ansteckend. Trotzdem finde ich es traurig, dass diese Mädchen nie so eine unbeschwerte Kindheit haben werden, wie ich sie hatte. Trotzdem sind sie immer fröhlich und herzlich, wovon ich mir etwas abgucken kann. Ich konnte in der bisherigen Zeit bereits sehr viele unvergessliche Erfahrungen sammeln, die ich nie vergessen werde, und habe schon sehr viel Neues gelernt.